Mozart, Schubert, Beethoven - wenn man an berühmte Komponisten der Geschichte denkt, braucht man gar nicht zu gendern: Komponistinnen sind offenbar unsichtbar. Oder gab es gar keine? WZ-Redakteurin Petra Tempfer stellt dem Musik- und Theaterwissenschaftler und WZ-Redakteur Edwin Baumgartner im Podcast-Studio diese Frage, aus der sich zahlreiche weitere ergeben. Wie zum Beispiel jene, was das Ganze mit einem männlichen Dominanzstreben zu tun haben könnte.
Zart und lieblich, ein bisschen wie Sticken: Von Frauen komponierte Musik hat damit herzlich wenig zu tun. Das einzige, was „weibliche" Musik auszeichne, sei, „dass sie praktisch unaufgeführt ist", sagt der Musik- und Theaterwissenschaftler Edwin Baumgartner im Gespräch mit Host Petra Tempfer. Warum? Als männlicher Musiker eines Orchesters könne man akzeptieren, sich einem männlichen Komponisten unterzuordnen. Handelt es sich um eine Komponistin, komme es zur Kraftprobe - der männliche Musiker müsste sich der Frau unterordnen. Dieses meist unbewusste männliche Dominanzstreben führt laut Baumgartner dazu, dass Musik von Komponistinnen immer noch selten aufgeführt wird.
Ob Frauen überhaupt die Möglichkeit hatten, Musik zu machen und zu komponieren, hing in den früheren Jahrhunderten außerdem damit zusammen, dass sie weniger Zugang zu Musikunterricht und Bildung hatten. Nur die sogenannten höheren Töchter lernten Klavier oder Cembalo (frühes Klavier, das hellere Töne erzeugt), und selbst diese Musik war allein für die häusliche Unterhaltung bestimmt. Es gab allerdings Ausnahmen. Hildegard von Bingen und Kassia zum Beispiel, die beide im Mittelalter Vorstehende eines Klosters waren, komponierten und sind bis heute bekannt. Beiden war gemeinsam, dass sie durch ihr Leben im Kloster gebildet waren und keinen Mann und Kinder hatten, um die sie sich kümmern mussten. Bei den Komponistinnen Clara Schumann und Fanny Mendelssohn aus dem 19. Jahrhundert ist es wiederum so, dass bis heute eher die Namen ihrer männlichen komponierenden Verwandten bekannt sind.
Mit den Frauenbewegungen unter anderem in Großbritannien, wo die Suffragetten vor mehr als 100 Jahren für das Wahlrecht der Frauen kämpften, begann sich die Situation zu drehen. Im deutschsprachigen Raum sowie in Italien dauerte es etwas länger. Tatsache sei jedoch, so Baumgartner, dass Frauen nicht Frauenmusik machen. „Musik ist Musik. Kein Mensch der Welt kann erkennen, ob die Musik von einem Mann oder einer Frau komponiert worden ist.“
Weiterführende Links:
Aus dem Archiv der Wiener Zeitung vom 9. Februar 1824 (Seite 6):
Dass Klavierunterricht ein Privileg der gehobenen Schichten war, zeigen mehrere Anzeigen, die immer wieder im Archiv der Wiener Zeitung zu finden sind. So zum Beispiel auch folgende vom 9. Februar 1824 auf Seite 6: Klavier-Unterricht, mit oder ohne Singen, in oder außer dem Hause: Ein Mann von gesetztem Alter und ausgebreiteten musikalischen Kenntnissen, der in mehreren ansehnlichen Herrschafts- und Privathäusern Unterricht gibt, wünscht noch eine Stunde zu besetzen. Seine Wohnung ist am Salzgrieß Nr 212, links im Gassengewölb.
Feminismus ist auch Thema unseres Podcasts „#12 Wo der Feminismus wurzelt" mit Petra Unger, Akademische Referentin für feministische Bildung und Politik sowie Expertin für Gender Studies und Feministische Forschung, zu Gast bei Host Petra Tempfer.
Einspielungen:
Hildegard von Bingen: O quam mirabilis
Tipps:
Lili Boulanger: Vielle prière bouddhique
Lili Boulanger: Faust et Hélène
Kassia: Wir preisen, oh Christus
Hildegard von Bingen: O pastor animarum
Hildegard von Bingen: Ave generosa
Maria Theresia von Paradis: Der Schulkandidat – Ouvertüre
Fanny Mendelssohn: Hero und Leander
Clara Schumann: Klavierkonzert in A-Dur op.7
Ethel Smyth: March oft he Women
Ethel Smyth: „The Wreckers“ – Ouvertüre
Johanna Doderer: Trailer zur Oper „Der leuchtende Fluss“
Johanna Doderer: Zweite Symphonie
Olga Neuwirth: Trailer zur Oper „Orlando“
Grace Williams: Ballads for Orchestra
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